Montag, 12. Oktober 2009

Die Legende von der Arche Bea(r)


Es gibt eine Legende aus uralten Tagen, die erzählt man sich in lauen Sommernächten am Lagerfeuer, vorausgesetzt, man hat einen der Eingeweihten zu Gast, der dann nach gutem Essen, einem prima Palaver und einem guten Glas Vin Rouge (für Nicht-Franzosen: das spricht sich FööH Ruhsch) in Plauderlaune gerät.
Meist geschieht das in diesen silberhellen Nächten kurz nach dem vollen Mond, wenn - wie das Büh sagt -der Nachthimmeldrache seine Pfeife raucht und damit Wolken an den Himmel malt… Dann rücken die Leute zusammen, damit es wärmer ist
(zumindest glauben sie das und es gilt auch - von vorn! Jeder, der einmal eine Geschichtennacht am Feuer verbracht hat, weiß, dass man sich ab und zu umdrehen muss, sonst….aber was tut man nicht alles für eine gute Geschichte…).
Die Kinder und alten Leute dösen fast schon ein, das Geplapper wird leiser, jemand zupft immer! gedankenverloren einzelne Töne aus einer Gitarre. Selbst die Zikaden werden schläfrig…..


doch plötzlich verglüht eine Sternschnuppe am Firmament und die Älteste erhebt ihre Stimme:


In einem fernen Land, weit weg von hier, liegt einsam zwischen den beiden Polen mitten im Ozean eine kleine Insel namens Wolland. Sie ist über und über mit bunten Pflanzen bedeckt, in der Mitte erhebt sich ein kleiner Berg, an dessen Spitze jahrein, jahraus eine kleine Wolke hängt.
Hier leben friedlich miteinander zwei Völker, deren Vorfahren viel Ähnlichkeit mit unseren Bären gehabt haben müssen - jedenfalls sehen sie irgendwie so aus.
Sie sind recht unterschiedlich, die einen groß (nach ihren eigenen Maßstäben, und sie haben ja keine anderen) mit fröhlich bunten Lockenfellchen, meist - aber nicht immer - farblich passenden Kurzhaarschnäuzchen und Pfoten, meist hängenden Ohren und immer bereit zum Honignaschen. Die anderen sind muntere kleine Gesellen von nur wenigen Zentimetern (aber auch das wussten sie ja nicht) mit kurzem Kuschelfell, meist dunkleren Fleckchen um die Augen, runden Öhrchen und ab und zu auch mit dunklen Händen und Füßchen. Sie pflegen die Bienen und ernten den Honig und als Dank bekommen sie von den Großbären die so geliebten Waldbeeren.
Auf beiden Seiten gibt es Bären aller Art: junge und alte Bären, braune und bunte Bären, Langfell- und Kurzfellbären, Honigbären, Saunabären, Zaubären, Hexbären, Bauchtanzbären
(die sind selten! Die letzte ihrer Art - Bärherazade - ist in die Welt hinausgezogen, um Gleichgesinnte zu finden.
Sie schreibt regelmäßig Ansichtskarten aus einem Land namens Wesabärk, aber das mit der Post ist in Wolland so ne Sache…),
Köche (die können nur Honigrezepte), Regenbogenbären, Belfen, Engel, Teufel, Bienenbären, Brombären, Käferbären, Schmetterbären, Bärjungfrauen, …
es gab angeblich sogar einmal ein Obärhuhn, aber das ist eines Tages davongeflattert und - was man so hört - hat es seine Seelenschwester Anita gefunden und lebt nun von Eierlikör.

Alles auf dieser merkwürdigen Insel ist aus Wolle oder anderen Materialien, die man bei uns an diesen Orten namens Bastella- Denn bekommt. Vieles ist gestrickt, zum Beispiel die Wohnsocken für die Kleinsten, manches gefilzt wie die Bäume und Blüten, die es in allen Farben auf der Insel gibt. Vieles ist auch genäht, wie zum Beispiel die Kleidung der Bären (und - ehrlich gesagt - sehen auch die Bären selbst wie genäht aus, aber aus irgendeinem Grund waren sie darauf nicht gut zu sprechen, nur die alten Frauen klagen manchmal über Krampfnähte).
Manchmal spült das Meer auch lustige Dinge an den Faserstrand, Glasperlen und Muscheln, Federn und ab und zu auch kleinen Silbertand, den man sich prima an den Bauchnabel tackern kann,
[Anm. d. Red.: Werter Leser, an dieser Stelle war ursprünglich das Verb “nähen” vorgesehen. Da sich daraus im weiteren Verlauf der Legende ein Sinnfehler ergeben hätte, wählte ich einen anderen Begriff zur Befestigung. Ich bitte um Ihr Verständnis]
jedenfalls, wenn man ein Großbär ist…und natürlich neue Fasern. Überhaupt ist der Faserstrand sehr wichtig: in manchen Nächten, wenn der Wind ein wenig heftiger aus der richtigen Richtung weht und das Wasser in tausend kleinen Wellen an den Strand treibt, dann rollen die Fasern zusammen den Strand hinauf und wieder zurück, zusammen und wieder zurück, zusammen und wieder zurück, zusammen und….am Ende liegt dann etwas am Strand, das lang und dünn und recht fest ist, die Bären nennen es das Gaaan.
Wenn man es früh genug weg nimmt, kann man es zu Kugeln wickeln (ansonsten werden Baumstämme daraus), die man dann zur Höhle hinaufrollt.


Die Höhle.


Echt ein Mysterium!
Seit Bärengedenken bringen die Bären das Gaaan hierher. Nur wenige Eingeweihte wissen darüber Bescheid. In der Höhle leben nur der alte Bärlin und seine Frau Bär Belle (in ihrer Jugend soll sie eine immense Schönheit gewesen sein, na ja, ist wohl ne Weile her)
Die beiden nehmen das Gaaan am Eingang in Empfang, aber niemand hat je gesehen, was sie damit tun. Aber weil das schon immer so war und weil das Gaaan eigentlich ein Geschenk des Meeres ist und weil ein paar Tage später immer plötzlich ein neuer Baum oder eine neue Blüte auf der Insel auftauchen (und ganz, ganz selten einmal ein neuer Wohnstrumpf, in dem ein paar Tage später fröhlich ein Bärenbaby strampelt), fragen die Bären auch nicht nach; dafür sind sie viel zu neugierig, was als Nächstes auftauchen wird.

In die Höhle gingen aber auch die alten Bären, wenn ihre Krampfnähte platzten oder irgend eine andere Fellstelle. Dann kam das Pfüh Lung an der Stelle heraus, und das ging nun mal gar nicht! Also gingen sie in die Höhle. Wenn sie dann wieder heraustraten, hatten sie an der Stelle ein neues Stück Stoff
was manchmal ein wenig komisch aussah, wenn der Stoff nicht zu ihrem Fell passte, aber wie sagt schon ein altes Sprichwort:
auch ein falscher Flecken kann das Pfüh Lung bedecken)

und waren quasi wie neu.
Auch wenn die jungen Tunichtgute sich beim Raufen ein Ohr halb
abreissen oder ein Dreihonighoch in seinem Wohnstrumpf zu übermütig hopst und
heraus plumpst, müssen sie in die Höhle. Wenn sie wieder heraus kommen, ist
alles wieder dran. Aber keiner verriet je, was sich dort abspielt. Einzig Rubeus
Dornfelder, ein Großbär, der nach einer besonders stürmischen Nacht einmal 7 Kisten mit merkwürdigen grünen Röhren gefunden hatte, in denen eine dunkelrote
Flüssigkeit schwappte, hat sich einmal verplappert und etwas von Gaaaan und einem Ding namens nA Dell erzählt.

Dazu müsst Ihr wissen: Rubeus ist eine
tragische Gestalt. Als Jungbär war ein stattlicher Kerl und manch eine Bärendame
drehte sich nach ihm um und brummte ihm wohlwollend hinterher. Besonders Emma
Verpoorten hatte ein Auge auf ihn geworfen, aber auch mit der hat es ein schlimmes Ende genommen.
Nachdem Rubeus aber die Kisten mit den Röhren
gefunden hatte, fand er bald einen Weg, wie er mit Hilfe einer gewunden
gewendelten Pflanzenranke die Stopfen von den Röhren lösen konnte (von da an
behauptete er, er sei nun mal ein Korkenziebär, was auch immer das sein
soll?)
Nach und nach leerte er alle Röhren mit dem “Fööh Ruhsch”
(er hatte nach dem Trinken immer Fischionen, wie er das nannte, und dabei habe ihm das
Gesöff gesagt, dass das sein wahrer Name sei. Nee, is klar!),
und wenn er
genug hatte, schlief er zwar prima, aber sonst niemand auf der Insel, weil er
die ganze Nacht fürchterlich brummte, und vernünftig reden konnte man auch nicht
mit ihm. Er konnte dann auch nicht mehr laufen und fiel ständig um.


Blödes Zeug.


So war er also ständig in der Höhle und hatte bald mehr Flecken als
Fell. Aber außer diesem einen Hinweis auf das Gaaan und dieses Ding namens nA Dell war nichts aus ihm heraus zu bekommen. Und selbst daran konnte er sich am
nächsten Morgen nicht mehr erinnern. Dem Großen Bären sei Dank waren die Röhren
irgendwann leer, seither läuft Rubeus Dornfelder nur noch mit traurigem Blick
umher und poliert die Dinger.
Das Leben war also schön auf Wolland.
Die Bären genossen das Wetter und den Honig, und selbst wenn es davon einmal nicht
genug gegeben hätte, wäre ihnen nichts geschehen, dafür sorgte das Pfüh
Lung.
(Wenn ein Bär allerdings eine Weile keinen Honig bekommen hat, dann
beginnt er in regelmäßigen Abständen gaaanz tief zu brummen. Menschen sind ja
bekanntlich ziemlich dumm, verwechseln das Geräusch mit Magenknurren und denken,
der Bär habe Hunger. ..oh Mann!)
Eines schönen Morgens, der Nachtwind hatte
wieder jede Menge Gaaaan am Ufer gelassen und alle waren unten am Strand beim
Wickeln, kam plötzlich Rubeus den Hügel herunter (halb zog es ihn, halb sank er
hin! Aber immerhin in einem Bäraffentempo!)
Er war mit dem Verdacht, dass es
in der Höhle vielleicht FöööH Ruhsch geben könnte,
weil man sich nach den Besuchen dort
ja auch an nichts mehr erinnern konnte, hinaufgestapft und wollte
Bärlin und seine Frau zur Rede stellen.
Als er dort ankam, glaubte er auch ohne
FööH Ruhsch an Fischionen: das Tor zur Höhle
stand sperrangelweit offen, und in
dem Raum dahinter lagen nur ein paar kleinere Kugeln
Gaaaan auf dem Boden.
“Bärlin??! rief er vorsichtig in die Höhle, “Bär Belle??”
Nichts.
Aus dem hinteren Raum drang ein winziges Schimmern,
wie eine Kerze.
Ganz zaghaft stapfte Rubeus in seine Fischion hinein,
näherte sich dem
Durchgang, lugte ganz langsam mit ganz geschlossenen Lidern
(seit der Aktion mit der Dauerröhrenleerung
hingen die Dinger eh immer auf halb neun)
um die Ecke und öffnete dann gaaaaaaanz langsam die Augen…

…und riss sie dann ganz auf.
Auf einem glitzernden Haufen kleiner Glassachen
lag eine Rolle aus Stoff, die mit
einem roten Stück Gaaan zusammen gebunden war.
Heiliger Bärbam! Ein Priiiif! Als
ganz kleiner Bär hatte Rubeus einmal
am Lagerfeuer gesessen und der
Weltenbummbärin Dona Esbäranza gelauscht,
die von einem Land namens Niebärrein
erzählte, in dem die Menschen als erste
lustige Striche auf Stoff malten und so
Nachrichten hinterließen, diese reisten
dann auf dem Bärsandweg weit weg, und
weil alle die gleichen Striche malten,
konnten die anderen den Priiif erkennen,
sie nannten das lesen! Sollte etwa…?
Es gab nur eine Bärson auf der Insel,
die dieses Rätsel lösen konnte.
Und so stolperte der sehr verblüfften Dona
Esbäranza an jenem Morgen ein völlig aufgelöster,
aber endlich nicht mehr trauriger Rubeus Dornfelder
vor die Füße, in den Händen einen leicht
geknitterten Priiiif, und allen Bären am Strand
fielen die Kinnladen so heftig nach unten,
dass für einen kurzen Moment ein kollektives “Knack” das Rauschen
der Wellen übärtönte.
Mit zitternden Pfoten klappte Dona Esbäranza ihren
Fächer zusammen (hinter dem versteckte sie sich meist,
damit niemand sähe, dass
man die blauen Fäden, die durch ihr Fell flossen,
mittlerweile ziemlich gut sehen konnte, Adel hin Adel her),
zog an dem roten Gaaan und rollte den Priiiif
auf. Eine Weile sagte sie nichts und wendete
nur den Kopf hin und her, aber
endlich erhob sich ihre sanfte Stimme und sie begann zu lesen:

Ihr lieben
Wollandbären!
Es hat sich schon eine Weile abgezeichnet, aber heute Nacht ist
es tatsächlich passiert!Das nA Dell ist zerbrochen!
Bärneration um Bärneration wurde es weitergereicht,
um Eure Flecken zu befestigen und dafür zu sorgen, dass Ihr kein Pfüh Lung verliert. Nun ist es entzwei! Es ist an der
Zeit, das Geheimnis zu enthüllen
und die Prophezeihung zu erfüllen.
Wie schon all unsere Vorbären, so sind auch wir
beiden der geheime Webär und die weise Färbärin,
wir helfen diese Insel zu bevölkern und zu erhalten, wie es uns einst
der Große Bär En Künzler gelehrt hat.
Doch ohne das nA Dell sind wir machtlos.
Ihr werdet nach und nach Euer Pfüh Lung und Eure Bärkleidung
verlieren, der Regen wird die Blüten ausbleichen und es wird keine neuen
Wohnstrümpfe für die Kleinsten mehr geben.
Uns bleibt also nur der eine Weg:
wir haben eine einzige kleine Wolke auf dem Gipfel des Berges gepflegt, die uns
von dannen tragen kann. Sie ist gerade groß genug für uns beide. Wenn der Wind
günstig steht, trägt sie uns geradewegs an unser Ziel (wenn er dreht, dauert es
etwas länger).
Aber auch, wenn wir - wie vorhergesagt - die große Blonde
finden und sie eine neue nA Dell für uns bereithält, können wir nicht zur Insel
zurück.
Reist uns also nach! So will es die Übärlieferung! Baut ein Schiff
namens Archebär, packt soviel von unseren Schätzen wie möglich an Bord, nehmt
den Honig und die Bienen mit und macht Euch auf die Suche nach der großen
Blonden.
Sie wohnt am Niebärrein, an dem kleinen Teich am Bambuswald, dort
sitzt sie am Ufer und wartet auf etwas. Solltet Ihr vor uns da sein (wer weiß,
wohin der Wind uns weht), wird sie es wissen, sobald sie Euch sieht.
Wie Ihr
sie erkennt? Sie heißt so ähnlich wie Euer Schiff, kann manchmal unter Wasser
atmen (allerdings sieht sie dann sehr, sehr merkwürdig aus), sie hat lockiges
Fell wie Ihr (jedenfalls oben) und Ihr erkennt sie an dem freudigen Blick, wenn
sie endlich findet, was sie solange gesucht hat: Euch!
Beeilt Euch, der Wind
steht gut und passt auf Euch auf, damit Ihr nicht zu viel Pfüh Lung
verliert.
Woraus Ihr ein Schiff baut?? Worin Ihr den Honig und die Bienen
packt?? Rubeus weiss Rat!
Nehmt so viel Gaaan, wie Ihr braucht! Lebt wohl und
kommt bald! Wenn der große Bär es will, sehen wir uns bald wieder!
Als Dona
Esbäranza langsam den Priif sinken ließ, war es mucksbärchenstill am Strand. Nur
die Wellen flüsterten ihr ewiges Lied, denn was interessiert sie alles
andere?
Mit großen Augen schauten sich die Bären ratlos an (selbst Rubeus
konnte seine Lider oben halten). Ausgerechnet der Kleinste, den man in seinem
Strumpf an den nächsten Busch gehängt hatte, damit er nicht so allein blieb,
brach das Schweigen.
„Cool, wir fahren mit nem Fiff!“ „Schiff heißt es, du
vorlauter Winzling”, brummte ein Kleinbär namens Paule Stockemöhle, der als
einziger ein Reittier bei sich wohnen ließ, „und woraus willst du das bauen??
Aus Stoff?“
Peinliches Gelächter machte sich breit. „ Nö, keine Ahnung“,
piepste es wieder aus dem Strumpf, „aber ist doch ganz einfach,: Bärlin hat doch
gepriift, dass Rubeus Rat weiß!“ Langsam drehten sich alle zu Rubeus um, der von
seinem Sturz den Hügel hinab noch diverse Pflanzenreste und Faserbüschel im Fell
kleben hatte und mit seinem betretenen Blick nicht überzeugend aussah. „Was soll
ich denn schon wissen“, fragte er, „ich hab doch nichts außer meinen Röhren und
den Kisten…“
Verstörtes Gemurmel. Was nun?
Und wieder piepste es aus dem 
Busch: “Also ich häng mich jetzt mal ganz weit aus dem Strumpf” - was gleich
ein besorgtes Bärenweibchen herbei springen ließ, um den Kleinen aufzufangen -,
„aber sind deine Röhren nicht in den Kisten her geschwommen? Und die sind doch
viel schwerer als wir gewesen. Vielleicht kann man ja aus den Kisten ein Fi…
Schiff bauen?“ Betretenes Schweigen.
Paule wagte noch einen letzten
missmutigen Versuch. „Schlaumeier“ brummte er, „und wie willst du das machen?
Die kippen doch um!“
„Der Kleine hat Recht!“ kam es jetzt von Rubeus. „Ich
bin selbst schon in eine der Kiste geplumpst, während ich eine Fischion hatte,
und als ich wach wurde, schwamm ich mit dem Ding auf der anderen Seite der Insel
rum. Hätte ich nicht mit meinem Stock im Wasser gewedelt, wäre ich noch weiter
aufs Meer getrieben.“
„Und wie sollen wir den Honig und die Bienen
transportieren???“ wurde jetzt der Bienenbär Summarum munter, „ich gehe
nirgendwo hin ohne meine Bienen. Und Summa natürlich!“
„Aber mein Lieber“,
warf Summa ein, „hast du nicht neulich schon einmal darüber nachgedacht, dass
man Rubeus Röhren lieber nutzen sollte wie die kleinen Glastöpfe, die das Meer
manchmal anspült? Wir beide wissen doch, dass man die mit dem Wachs aus den
Stöcken verschließen kann, dann läuft nicht mal mehr Wasser durch. Und ein
Bienenvolk können wir sicher auch in eine Röhre packen, die wir mit einem
Stoffstück und Gaaan verschließen..“
Überall wurden jetzt Stimmen laut „Wir nehmen Stoff mit, dann wird uns nicht kalt.“

 „Die Kleinen können in den Wohnsocken schlafen“. 
„Pflückt die Blüten, Bär Belle hat gesagt, wir sollen soviel Schätze wie möglich mitnehmen“.
„Bindet die Kisten mit Gaaan zusammen, dann können wir sie nicht verlieren.“. 
“Stellt sie aufrecht auf die Deckel, dann kann man hinein gehen.“ 
„Dichtet die Ritzen mit Wachs und Gaaan ab, dann kriecht
kein Wasser rein. Das macht mein Mann immer mit dem Dach unserer Hütte!“ 


Die Bärenmeute kam richtig in Fahrt. Jeder hatte eine Idee, die Bären entpuppten
sich als richtige Erfinder.
Plötzlich fragte ein kleines Bärenmädchen in die
Runde:
„Das wird ein Spaß! Und wann kommen wir dann wieder nach Hause?? Wer
zeigt uns den Weg??“



Und auf einmal setzen sich wie auf Kommando alle Bären auf den Faserstrand, und weil Bären nun mal nicht weinen können, erhob sich aus zahllosen Kehlen ein unfassbar lautes, trauriges
Gebrumm.


Nach einer ganzen Weile erhob sich
erst der Eine, dann der andere
Bär, dann eine ganze Gruppe, und langsam
trotteten alle nach Hause, während in
der Ferne die Sonne wie immer rot
hinter der Meerkante verschwand.
Der 
nächste Morgen hätte schöner nicht
sein können. Die Bienen summten in der warmen
Sonne, der Wind streichelte
einem nur ganz leicht durch das Fell, es duftete an
allen Ecken nach Blumen
und frischen Fasern – typisch wolländisch halt. Nur
eines war anders: kein
fröhliches Geplapper, kein zufriedenes Brummen, nicht mal
ein Stapfen war auf dem Faserboden zu hören.
Alle waren in Gedanken versunken,
keiner verließ seine Bärhausung.
An dieser Stille lag es dann wohl, dass alle
in der Ferne ein leises Singen vernehmen konnten.
Nach und nach streckte sich erst das Eine,
dann das andere Ohr aus Wohnstrümpfen, Baumstümpfen,
Vogelbärhäusern, Erdlöchern, Moosmulden und wo die Bären nun mal so zu leben
pflegen. Während dessen wurde das Singen immer lauter. Zu sehen war nix.
Irgendwo draußen auf den sanften Wellen sang jemand, und nach einer kleinen
Weile konnte man erst eine Melodie, dann auch die Vocals
verstehen:

Daheim, daheim,
daheim würd ich gern sein.
Doch weil zu Hause nirgends ist,
und mich auch niemand sonst vermisst,
treib ich so durch die Welt;
bleib, wo es mir gefällt.
Die Wale kennen den Gesang,
weshalb ich keine Wale fang,
die könnten mich verschlucken,
dann kann ich nix mehr gucken.
Dabei ist das doch mein Beruf
Seit man Klabautermänner schuf
Stehen wir im Korb am Mast,
dass keiner was verpasst
und niemand auf die Klippen treibt
und mit dem Kahn dort hängen bleibt.
Drum schau ich in die Ferne
und glaubt mir, ich tu´s gerne
Denn stets sind alle nett zu mir,
damit ich sie nur sicher führ
durch Sturm und hohe Wellen.
Mein Tun kann nur bestellen
Wer feste glauben kann
An den Klabautermann!



Während der Gesang immer näher kam, versammelten sich nach
und nach alle Bären am Faserstrand.
Zuerst sah man nur einen winzigen Punkt,
der am Horizont auf den Wellen wippte und immer näher kam. An der Stelle
„verschlucken“ konnte man ein kleines Boot erkennen,
das eine rote Pudelmütze trug (???).
Bei „in die Ferne“ konnte man sehen,
dass die rote Pudelmütze aus einem Holzeimer
herauslugte, der freundlich nickend durch die Dünung
dümpelte.
Und als die Pudelmütze das letzte „Klabautermann“ herausjohlte,
stieß der – übrigens karierte – Holzeimer
an den Strand, kippte um und heraus
purzelte ein Männchen in schwarzen Hosen,
über dessen gewaltiges Bäuchlein sich
ein grün-blaues Ringelhemd spannte.
Unter einem struppig grauen Bart schaute
noch der Zipfel eines karierten Tuches hervor,
und als der kleine Kerl endlich
seine tätowierten Arme und Beine sortiert hatte,
schaute aus dem Bartwald ein
fröhliches Gesicht mit riesiger Knollennase
und schwarzen Knopfaugen hervor und
rückte sich die feuerrote Pudelmütze zurecht.
Die Bären staunten nicht schlecht.
Was da auf nackten Füßen mit riesigen Zehen
strahlend vor ihnen stand,
war noch in keiner Geschichte vorgekommen!
„Na, wenn das mal nicht ein
pompöser Empfang ist! Darf ich mich vorstellen,
Archie, Archie Wellenschreck
nennt man mich und man sagt,
ich sei der freundlichste, fleißigste,
ehrlichste, höflichste, schnellste und
vor allem hübscheste Klabautermann auf
allen sieben Weltmeeren. Ich muss allerdings gestehen,
dass einiges davon nur darum stimmt, weil ich der letzte bin, hihihihi!
Stets zu Diensten! Ich traf auf meiner geheimen Suche
auf einen Knäuel Wolle, genauer gesagt traf der Knäuel
auf mich –direkt von oben aus einer Wolke!
Da es gemeinhin in dieser Gegend keine Knäuel regnet,
schaue ich nach oben und nanu, aus der Wolke hängt ein Bär,
fuchtelt hektisch mit den Armen und zeigt laut rufend immer in diese Richtung.
Ich habe kein Wort verstanden, aber da meine geheime Suche gerade an einem toten
Punkt angekommen ist, habe ich die Richtung einfach mal genommen. Könnt Ihr mir
sagen, wer das war?? Und was das soll?? Und – vor allem, was oder wer seid Ihr??
Und vor allem: wo sind wir hier????

Beredtes Schweigen.
Aufmunternd schaute der Klabautermann in die Runde.

Nanu. Versteht Ihr
kein Ozeanisch? Und zur noch größeren Bärblüffung aller Anwesenden verzog sich
das Bartgestrüpp zu einer kleinen Röhre, und schneller als irgend jemand “Ähm”
sagen konnte, ertönte eine rasend schnelle Serie kurzer, kleiner Klackerlaute,
mit der er seine Ansprache anscheinend wiederholte, denn in dieser Sprache, so
es denn eine war, gab es für einige Worte anscheinend kein Geräusch, und so
gluckerte und klackerte das Männlein vor sich hin und stieß dabei hier seinen
Namen, dort ein “Klabautermann” und da ein “geheime” aus. Als er fertig war und
erwartungsvoll in die Runde blickte, krabbelte ein winziges Bärenkind (Ihr wisst
schon, der vorlaute aus dem Strumpf. Er wurde später ein berühmter
Bärenforscher, weil er allen Dingen auf den Grund ging, aber dazu später) über
den Faserstrand auf ihn zu, ließ sich auf seinen Hosenboden plumpsen und fragte:
Was war das jetzt für eine Sprache? Wer spricht so? Und warum kannst du sie? Wo
kommst du jetzt her? Was machst du den ganzen Tag? Was ist denn deine geheime
Suche? War das Bärlin der dich geschickt hat?Warum hast du eine so dicke Nase?
Ist deine Mütze aus Gaaan?? Wieso…”“Halt! Nicht so schnell, kleiner
Honigbärenmann. Das bist du doch, wenn die alten Geschichten nicht lügen, und
das tun sie eigentlich nie?Aber scheinbar der letzte deiner Art, der sprechen
kann, oder wie?”
Gerade wollten alle Bären empört auf ihn
einreden, da knackste es laut im Unterholz.
Knack-pock
machte es, und
wieder
knack-pock.
Schlagartig war Ruhe am Strand.
Knack-pock.
Als das Geräusch näher kam, gesellte sich noch ein leises Tippeln dazu.
“Da brat mir doch einer ne Honigwabe” brummte Lässefär, ein Bummelbär, der
für seine Bequemlichkeit bekannt war, “bei meinem Sofa! Wenn das nicht der alte
Alfonse mit seinem Stock ist, der da durch den Wald kommt. Ich dachte, der wäre
längst mit seinem Ohrensessel verwachsen und an seinem Pfeifenqualm erstickt.”
Niemand bemerkte, dass der Klabautermann erst die Augen kurz aufriss, dann
die Hände in die Hüften stemmte und liebevoll lächelnd auf den Ankömmling
schaute.
Aus dem Waldweg stapfte langsam der älteste der kleine Honigbären,
blieb schnaufend am Rand des Faserstrandes stehen, blickte mit kleinen Augen in
die Runde und blieb dann an Archie hängen.
“ War mir so, als hätte ich ein
Lied gehört im Schlaf” brummte er mit einer Stimme, die keiner der Bären seit
undenklicher Zeit mehr gehört hatte (nur Dona Esbäranza kannte Alfonse aus ihren
Kindertagen, behielt das aber hinter ihrem Fächer für sich, damit niemand
merkte, wie alt sie wirklich war…) eines von der Sorte, die längst verstummt
sind. Kann aber gar nicht sein, oder? “
Alfonse kramte umständlich sein
Monokel hervor, klemmte es auf seiner Schnauze fest, starrte durch die
wabenförmigen Gläser auf den Klabautermann, eine ganze Weile. Der blieb
unbeweglich stehen, immer noch grinsend wie ein Honigbär
(das mit dem Kuchen
in dem Sprichwort hat ein geschäftstüchtiger Printenbäcker verbockt, die
Redensart rührt natürlich von unseren kleinen Freunden her, aber auch diese
Story hat noch Zeit).
Die Bären blickten verblüfft von einem zum
anderen.




Bei meiner Mittelnaht", sagte Alfonse plötzlich, "nun fang ich an,
Fischionen zu kriegen" (ein Satz, der übrigens nicht nur Rubeus, sondern auch den
Klabautermann kurz aufhorchen ließ!),"wenn ichs nicht besser wüsste, würd ich sagen da steht ein
Klabautermann. Und nicht nur irgendeiner, sondern der freundlichste, fleißigste,
ehrlichste, höflichste, schnellste und vor allem hübscheste Klabautermann auf
allen sieben Weltmeeren, auch wenn die Hälfte davon nur deswegen stimmt, weil er
der Letzte war..."
"Und wovon willst Du Fischionen bekommen, mein alter Freund? Die letzten sieben Kisten Fööh Ruhsch in der nordostsüdwestlichen Hemisphäre sind
mir bei der letzten Springflut davongeschwommen, so viel zu meiner geheimen
Suche, (Rubeus verschwand langsam, aber unauffällig hinter Dona Esbäranzas
Fächer) aber deine Augen sehen nicht aus, als hättest du in den letzten 100
Bärenjahren etwas anderes bekommen als gesunden Honigwein, oder ? Komm her, lass
dich...
"ARCHIE!!!!!!!!!!! Beim heiligen Bimbär, Archie!!!!!!! Das ich das noch erleben darf"
damit schmiss Alfonse seinen Gehstock ins Gebüsch und stürmte wie ein junger Bär geradewegs in die weit ausgebreiteten Arme des
Klabautermanns, der ihn mit einer lange geübten Bewegung auffing, herumwirbelte
und ihn gleich auf seiner rechten Schulter landen ließ, begleitet vom fröhlichen
Bellen von Alfonse´alter Hündin Miaou (den Namen hatte ihr Archie einst während
einer Fischion verpasst, aber dazu später mehr...). Endlich! Nicht, dass mit dieser Entwicklung zu rechnen gewesen wäre,
aber endlich! hörten die anderen Bären auf, wie bei einem Tennisspiel alle
gleichzeitig von Archie zu Alfonse und wieder zurück zu schauen, ohne auch nur
das geringste davon zu verstehen (also weder von dem, was da geschah, noch vom
Tennis natürlich).
Einmütig ein altes Bäratenlied singend und von der lauthals
mitsingenden Dona Esbäranza begleitet stapften die neu vereinten, scheinbar lang
getrennten Freunde durch das Unterholz zum Dorfplatz. Zurück am Faserstrand
blieben nur zahllose Bärenstatuen verschiedener Größe.
Oder so.
Es sah jedenfalls so aus, denn die Wolländer waren baff erstaunt und
bewegten sich einfach nicht mehr. Den Anfang machte - wie sollte es anders sein,
der vorlaute Winzling Pi (an dieser Stelle muss ich schon wieder etwas erklären:
Bärenbabys haben noch keinen eigenen Namen. Den erlangen sie meist erst, wenn
sich herausstellt, was sie besonders gut können (wie Rubeus, der konnte am
besten Trauben sammeln) oder wenn ihnen etwas besonderes geschieht. Daher werden
ihre Wohnsocken ganz einfach durchbuchstabiert, und da es nie mehr als 21
bewohnte Socken gab, hatte sich diese Methode bewährt. Pi wurde wie gesagt mal
ein großer Forscher und Inscheniör, allerdings behielt er seinen Namen, weil er
von der Familie Maldaumen adoptiert wurde, da passte das ganz gut, aber dazu
später mehr


to be continued...


(c)2009 by Bea Klußmann.
Diese Geschichte darf zum privaten Lesen ausgedruckt werden, aber nicht - auch
nicht in Auszügen - kopiert und in Print- oder sonstigen Medien weiterverwendet
werden, ohne vorher mit mir darüber zu reden. Danke!